Montag, 18. September 2017

Dunkelmomente - Abenteuer Fahrt mit der Deutschen Bahn Teil 1

Hilflos + verlassen = Deutschen Bahn


Heute möchte ich euch von meiner Bahnfahrt in die Schweiz erzählen, die ich voller Unruhe, aber dennoch auch mit Stolz als blinder Mensch angetreten habe.

Klingt eigentlich nicht schwer, oder? Die Deutsche Bahn bietet schließlich Service und Umstiegshilfen für mobilitätseingeschränkte Menschen (Mobilitäts-Service) an. Saarbrücken – Mannheim, Umstiegshilfe in Mannheim und weiter nach Zürich. Das sollte doch klappen.

Schön wäre es gewesen.

 Vier Tage vor Reiseantritt gab es zwischen Raststatt und Baden Baden einen Erdrutsch. Der Bahnverkehr kam zum Erliegen, aber die Bahn sollte dafür sorgen, dass der Schienenersatzverkehr die Fahrgäste problemlos ans Ziel bringen würde.

Nach telefonischer Rücksprache riet mir eine freundliche Dame, die den Bahn-Service „Barrierefreies Reisen“ betreute, mich der Gruppe anzuschließen, die diese Teilstrecke mit mir fahren würde. Okaaaaay, dachte ich bei mir, ich bin ja nicht auf den Mund gefallen und werde das schon irgendwie schaffen.

Von Saarbrücken bis Mannheim gab es keine Probleme und auch die Umstiegshilfe klappte prima. Die nette junge Dame die mich begleitete und unterstützte erklärte mir, dass ich jetzt mit dem Zug bis nach Karlsruhe fahren würde. In Karlsruhe würde ich dann erneut von einem Servicemitarbeiter abgeholt werden und würde dann mit einem Taxi bis Baden Baden fahren. Der Taxifahrer würde mich nach der Fahrt zum Service-Point der DB bringen und von da aus brächte mich ein DB-Mitarbeiter zum Zug nach Zürich.

Ich empfand eine Riesenfreude und hatte Tränen in den Augen, weil ich so dankbar war, dass alles gut organisiert schien.

Bis Baden Baden verlief meine Reise genau so, wie die nette Dame es am Telefon prophezeit hatte. Aber was dann kam, macht mich noch heute sprachlos und wütend?

Am DB-Service-Point in Baden Baden teilte mir eine total gestresste und absolut schlecht gelaunte DB-Mitarbeiterin mit, dass ich nun in einen Ersatz-ICE gesetzt werden würde, der aber nur bis Basel fahren würde. „Momentmal“, merkte ich an, „ich muss nach Zürich und nicht nach Basel!“ Die deutlich überforderte Dame hatte nur noch patzige Antworten für mich übrig und sie sagte mir allen Ernstes:

„Ihr Problem und dann müssen sie gucken“.

„Aha“, gab ich zur Antwort, „Ich und gucken funktioniert nicht. Sie sehen wohl meinen Blindenstock? Ich „nix“ gucken!“


So ein unfreundliches Wesen und das am Service-Point der Deutschen Bahn, wo man besonders auf die Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Menschen eingehen sollte. Man verfrachtete mich dann in den Ersatz-ICE der bis Basel fuhr.

Ich wusste gar nichts mehr.
Ich wusste nicht mehr ein noch aus.
Ich fühlte mich so verloren und verlassen.
Ich war fix und fertig mit den Nerven und hatte einfach nur noch Angst, dass ich meinen Zielort Zürich nicht erreichen würde.

In meinem Abteil sagte mir ein junger freundlicher Mann, ich sollte einfach erstmal bis zum Bahnhof nach Basel fahren, wo dann alle Fahrgäste aussteigen würden. Er hätte mir gern geholfen, doch er sagte mir, dass er viel früher aus dem Zug aussteigen würde.

Als Basel erreicht war informierte eine Ansage, dass nun alle Fahrgäste aussteigen müssten. Ich
erhob mich von meinem Platz, klappte den Langstock aus, nahm meinen Trolley und stellte mich auf den Gang und rief einfach laut:

„Hallo“.
 
Eine junge Frau kam zu mir. Mit ihrem schweizer Akzent fragte sie mich, wie sie mir helfen könne und ich erklärte ihr meine Situation und fragte ob sie vielleicht auch bis nach Zürich fahren würde? „Doch ja“, gab sie mir zur Antwort, aber sie und ihr Mann hätten noch einiges in Basel zu erledigen. Ich stand ratlos da. Dann entschuldigte sich die Frau und verschwand für einen Moment. Als sie zurückkam, hatte sie einen jungen Mann im Schlepptau, der mir sagte, dass er ebenfalls nach Zürich fahren würde und mich gern in Obhut nehmen würde.

Oh, mein Gott. Ich war so glücklich und dankbar!

Er half mir aus dem Zug, nahm meinen Trolley und ich durfte mich bei ihm einhaken. Er führte mich sicher in den Zug und als wir Platz genommen hatten, kamen wir ins Gespräch. Dass er mich siezte stört mich in dieser Situation voller Nähe ein wenig und so bot ich ihm das Du an. Florian hieß mein Retter, der mich so lang begleiten wollte, bis ich Herrn Schweiz auf dem Bahnsteig treffen würde. Oh Mann, war das ein netter Mensch. Wir redeten und redeten. Jeder erzählte aus seinem Leben und ich erzählte ihm auch von meinem Lichtscherben-Blog.

In Zürich angekommen, setzten wir uns auf eine Bank und warteten gemeinsam auf Herrn Schweiz. Mit einem ganz festen Knuddler verabschiedete ich mich herzlich von Florian. Ich bedanke mich noch einmal bei ihm für seine selbstlose Hilfe und sagte ihm, er solle so bleiben wie er sei. Als ich etwas später auf mein Handy schaute sah ich, dass er mir bereits eine Freundschaftsanfrage bei Facebook gestellt hatte und auch, dass er bereits den Lichtscherben Blog abonniert hatte.

Also, meine Lieben. Es gibt wirklich noch sehr liebenswürdige und hilfsbereite Menschen auf dieser Welt und ich danke Florian von ganzem Herzen, dass er mir in meiner Not geholfen hat.

Heute schreiben wir uns gelegentlich WhatsApp-Nachrichten, haben auch schon einmal miteinander telefoniert und wir haben uns versprochen, weiterhin in Kontakt bleiben.

Das war mein Erlebnis „Bahnfahrt“. Aus dem Dunkelmoment wurde dann doch noch ein Glücksmoment. 

Ich hoffe ihr konntet ein bisschen nachempfinden, wie sehr ich Angst und Ungewissheit gefühlt habe und vor allem, wie hilflos ich mir vorkam.

Natürlich gibt es auch einiges über meine Rückfahrt nach Hause zu berichten. Ihr dürft gespannt sein. 

Klickt HIER, um zum Beitrag zu meiner Rückfahrt zu gelangen.

Eure Kerstin

PS: Wie immer freue ich mich wahnsinnig über jeden Kommentar von euch. 

Gibt etwas, was ihr gern von mir wissen möchtet? Wie ich zum Beispiel bestimmte Dinge im Alltag erledige? Schreibt mir doch einfach und ich erkläre euch „mein“ wie.

Dieser Beitrag enthält Bilder. Das Titelbild zeigt eine schwarzweiß Aufnahme mit Bahngleisen, die ins Nirgendwo führen. Das zweite Bild zeigt ein niedliches, weißes Comic-Männchen, dass mit dunkler Brille und mit deinem Blindenstock voran läuft.

8 Kommentare:

  1. Liebe Kerstin, da ist ja einiges schief gelaufen.

    Gerade wenn mal nicht alles glatt läuft, sondern Schwierigkeiten entstehen, merkt man am gut oder schlecht gelungenen Krisenmanagement, was ein Dienstleister wert ist. Und die Bahn hat sich da nicht mit Ruhm bekleckert. Immerhin wurde die Dame am Service-Point in Baden-Baden dafür auch noch bezahlt, dass sie Dich hilflos alleine ließ. Ich hätte eigentlich erwartet, dass sie z. B. sagt "steigen Sie erst mal in den Zug nach Basel, bis sie dort ankommen, habe ich was für Sie organisiert, damit sie jemanden haben, der Ihnen beim Umsteigen in Richtung Zürich hilft." Aber zu antworten "dann müssen Sie mal gucken" ist wirklich zynisch. Zum Glück hast Du den hilfsbereiten Florian getroffen!

    Unter Strich kannst Du sehr stolz auf Dich sein, dass Du Dich selbst um Hilfe bemüht und sie dann auch bekommen hast. Du hast Dir trotz Angst und Ungewissheit zu helfen gewusst. Eine tolle Leisung, Hut ab!

    Liebe Grüße
    Gabi

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    1. Hallo, liebe Gaby. Tut mir leid, dass ich erst jetzt auf deinen Kommentar antworte. Wir waren noch in Urlaub. Ja – diese Reise in die Schweiz werde ich wohl nie vergessen! Besonders was das bahnfahren angeht! Aber auch diese unfreundliche Person des Service-Point wird mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Trotz allem bin ich sehr stolz auf mich… Liebe Grüße Kerstin 😊😊😊

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  2. Liebe Kerstin,

    als ich diesen Beitrag für dich geschrieben habe, begleitete mich unendliche Wut. Wie kann es möglich sein, dass man dir nicht die Hilfe anbieten wollte, die möglich gewesen wäre. Ich hoffe sehr, dass du dich bei der Deutschen Bahn beschwert hast, aber vermutlich läuft so eine Beschwerde ins Leere.

    Ich bin super stolz, dass du diese Reise allein angetreten hast. Wahnsinn, dass du den Mut dazu gefunden hast. Du verdienst meinen ganzen Respekt und Achtung.

    Fühl dich lieb umarmt,

    Anja

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    1. Huhu, meine Liebe 😉 Danke für deine lieben Worte. Ich denke mir, dass eine Beschwerde bei der deutschen Bahn wirklich nicht sehr viel bringen wird. Aber – wer weiß… auch ich bin mächtig stolz auf mich, das ist diese Reise angetreten bin. Liebe Grüße Kerstin

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  3. Neulich wollte meine Tochter nachmittags von Hamburg mit dem Zug nach Aschaffenburg. Wegen Streckenschäden auf der Hauptstrecke tuckelte der Zug über Nebenstrecken durch die Lüneburger Heide. Letztlich landete Töchterlein abends um 11 in Fulda. Nichts ging mehr an diesem Tag von dort. Unser Schwiegersohn hat sie dann von mitten in der Nacht abgeholt. Das war schon viel Stress für eine nicht mobilitätseingeschränkte Person. Für dich muss es furchtbar gewesen sein, bis der Florian auftauchte. Aber du hast es geschafft! Dank an Florian,

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    1. Oh ha-das war ja eine sehr spannende Reise für deine Tochter. Ich bin sehr froh, dass Florian mir ab Basel geholfen hat. Wer weiß-vielleicht würde ich ja heute noch dort stehen! Hilfsbereite Menschen findet man heute sehr, sehr selten und ich hatte dieses Glück… liebe Grüße Kerstin

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  4. Danke Kerstin. Ich bin zufällig auf Deinen Bericht gestossen. Ich bin entzuckt. Ich kann sehr gut nachempfinden, was du gefühlt hast, da ich selbst schwersehbehindert bin. Schön, dass du die richtigen Worte gefunden hast,um diese Situation wieder zu geben. Ich danke Dir dafür.
    Mach es weiter so. Wir wollen ein selbstbestimmtes Leben!
    Alles Gute
    Anne

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    1. Hallo, liebe Anne. Danke für deine lieben Worte. Natürlich wollen wir ein selbstbestimmtes Leben und dafür werden wir einiges tun müssen! Liebe Grüße Kerstin 😘

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